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Die Probleme der Vorfahren

Inzwischen ist gut belegt, dass ungeklärte Probleme  sich von einer auf die nächste Generation weiter geben lassen. Jede Kohorte trifft auf ihre ganz persönlichen Herausforderungen. Reichen die Fähigkeiten zur Bewältigung nicht aus, können sie auf die Folgegeneration übertragen werden. Oft lassen sich diese Probleme auch Jahrzehnte zurück verfolgen. Dabei gibt es verschiedene Wege durch die ein Problem weitergegeben werden kann. Die Wege reichen von Genetik bis hin zu negativen Bindungserfahrung, die ganze Generationen prägen können. Im wissenschaftlichen Diskurs wird dabei von transgenerationaler Weitergabe gesprochen.

Familiäre Transmission aus verschiedenen Blickwinkeln

Im psychotherapeutischen Kontext werden oft die Teile der Weitergabe besprochen, die Verbunden mit Leidensdruck und Beeinträchtigung sind. Nicht selten werden in der Therapie dann die traumatischen Aspekte der Weitergabe besprochen und behandelt. Das Buch zeichnet sich dadurch aus, dass verschiedene Autor:innen eines der Kapitel verfassen. Dadurch entstehen verschiedene Betrachtungsweisen, die das Phänomen der transgenerationalen Weitergabe beleuchten. Federführend bleibt dabei jedoch Frau Rauwald. Das Buch dabei keine zwanghafte Reihenfolge. Es werden eher einzelne Schwerpunkte in der transgenerationalen Arbeit präsentiert. Die Kapitel wirken so, als würden die Autor:innen auch ein Stück ihrer eigenen Geschichte in die Vorstellung des Fachwissens geben. Im Verlauf des Buches nehmen auch die praktischen Beispiele zu. Die überwiegend psychodynamische Denkweise wird dadurch zunehmend greifbarer.

Für wen eignet sich das Buch?

Natürlich könnte ich jetzt schreiben, dass jede interessierte Person zu diesem Buch greifen könnte. Dieses Werk würde ich jedoch nur Menschen empfehlen, die sich auch beruflich und fachlich mit dem Thema ansatzweise auskennen. Das Buch enthält eine Menge Fachbegriffe und setzt ein solides psychotherapeutisches Verständnis voraus. Darüber hinaus benutzt die Autorin fast durchgehend einen psychodynamischen Terminus. Kolleg:innen anderer Therapieverfahren sollten also damit rechnen einige Begriffe nachschlagen zu müssen. Es ist zwar kein Nachschlagewerk, aber kann Leser:innen dabei helfen eine Haltung zu dem „unsichtbaren Thema“ zu entwickeln.

Fazit

Wahrscheinlich hat so gut wie jede Familie mit irgendeiner Form der familiären Transmission zu kämpfen. Oft findet der Prozess im Verborgenen statt. Darüber zu sprechen kann helfen den Zyklus zu brechen. Wenn der Leidensdruck zu hoch wird, dann kann eine psychotherapeutische Behandlung indiziert sein. Ich habe relativ lange an diesem Buch gelesen, da es so viel Wissen auf begrenztem Raum präsentiert. Gleichzeitig bin ich dran geblieben, da dieses Thema viel mehr Aufmerksamkeit verdient und ich es verstehen wollte. Oft werden in vielen psychotherapeutischen Behandlungen die Erfahrungen der Vorfahren (damit meine ich über die eigenen Eltern hinaus) fast schon stiefmütterlich behandelt. Als Verhaltenstherapeut empfinde ich die Herangehensweise als gewinnbringend, da in der Regel die erlebten Symptome von Patient:innen sowohl gegenwärtigen wie auch vergangenen Charakter haben. Und gerade in den Richtlinenverfahren (außer der systemischen Psychotherapie) neigt man dazu ausschließlich sich ausschließlich auf das Individuum zu konzentrieren. Das Buch ist ein Beispiel dafür wie man diese kostbaren Erfahrungen (der Angehörigen) in die gegenwärtige Behandlung katapultieren kann.

Daten zum Buch

  • Herausgeber: Beltz; Originalausgabe Edition (8. April 2020)
  • Sprache: ‎Deutsch
  • Autorinnen: Marianne Rauwald
  • Gebundene Ausgabe: 194 Seiten
  • ISBN-10: 3621287566
  • ISBN-13:  978-3621287562
  • Abmessungen: 17.2 x 1.5 x 24.6 cm

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