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Ein Stück Psychotherapiegeschichte

Als ich in der Fortbildung zum Imagery Rescripting & Reprocessing Therapy (kurz IRRT) saß und Professor Schmucker zuhörte, wurde mir klar was für ein Weg hinter dieser traumatherapeutischen Methode eigentlich steckt.

Mervyn Schmucker hat vor Jahrzehnten bereits mit Imaginationsbehandlungen klinische Untersuchungen durchgeführt. Damals noch als Clinical Associate Professor an der University of Pennsylvania. Beeindruckend ist auch, dass er ein langjähriger Mitarbeiter von Aaron Beck gewesen ist. Beck wiederum galt als Vater der Verhaltenstherapie und ist am 01.11.2021 verstorben. Zum anderen forschte er gemeinsam mit Edna Foa an PTSD-Behandlungsformen. Frau Foa ist wiederum bekannt für ihre prolonogierte Exposition. Darüber hinaus ist er Supervidand und Arbeitskollege von Jeffrey Young gewesen. Der Begründer der Schematherapie. In dem Mann steckt also wirklich ein Stück Psychotherapiegeschichte.

Inzwischen leitet Prof. Schmucker in den deutschsprachigen Ländern IRRT-Seminare, zertifizierte Trainings, Weiterbildungsworkshops und Supervision in der Anwendung der IRRT.

Die Idee hinter IRRT

Über Studien und die Praxis hinweg zeigt die Methode eine solide Effektstärke. Insofern, dass Intrusionen, Flashbacks und weitere traumabezogene Symptome sich zurückbilden. Inzwischen findet die Methode nicht nur in der Behandlung einer PTSD Anwendung. Auch bei Ängsten und bei anhaltender Trauer werden gute Erfolge erzielt. Doch wie ist das möglich? Im Buch werden im ersten Teil des Buches die Entwicklung und anschließend das Konzept der IRRT gut verständlich erklärt.

Simpel erklärt, findet eine Auseinandersetzung mit einer vergangenen traumatischen Situation vor dem geistigen Auge statt. In der IRRT wird dies auch als “innere Bühne” bezeichnet. Es geht in der Behandlungsmethode – vor allem – um visuelle und verbale Verarbeitung. Es ist eine Arbeit mit verschiedenen Persönlichkeitsanteilen. Studien konnten gut zeigen, dass neu erschaffene Bewältigungsbilder mit den alten autobiografischen Erinnerungen konkurrieren. Dabei arbeiten Therapeut:innen in einer sokratischen Haltung. Anders ausgedrückt könnte man sagen, dass Therapeut:innen den Rahmen schaffen und Patient:innen für den Inhalt sorgen. 

Die drei Behandlungsphasen

Eine IRRT-Sitzung verläuft in der Regel in drei Phasen.

  • In Phase 1 geht es um das Wiedererleben einer Situation in sensu (also vor dem geistigen Auge). Dabei geht es vor allem um das Wiedererleben von belastende Bilder und Emotionen, die mit dem Trauma assoziiert sind. 
  • In Phase 2 dreht sich alles um die Konfrontation und die Täter:innen-Entmachtung. Wobei man dies über das “aktuelle Ich” geschieht. 
  • In Phase 3 geht es um die Entwicklung von Bildern der Beruhigung, Tröstung und Versöhnung zwischen dem “aktuellen Ich” und dem traumatisierten Ich bzw. dem Kind-Ich. 
  • Zum Schluss folgt eine Nachbesprechung. Sowohl die Behandlungsphase als auch die Nachbesprechung werden (audio-)visuell aufgezeichnet.

Das Buch bietet einen guten Überblick über den Verlauf der Intervention. im weiteren Teil des Buches kommt es auch noch zu praktischen Beispielen, die verschriftlicht wurden. Der Autor greift auch typische Fallstricke und Komplikationen auf. Er bietet Leser:innen auch für knifflige Situationen eine Lösung an. Mögliche Komplikationen sind z.B.: Patient:innen habe Sorge/Angst die Täter:innen zu konfrontieren oder eigene kindliche Anteile werden in Phase 3 abgelehnt usw.

Für wen eignet sich das Buch?

Ich würde das Buch in erster Linie für approbierte Therapeut:innen und Psychotherapeut:innen in Ausbildung empfehlen. Damit meine ich natürlich auch die ärztlichen Kolleg:innen. Auch wenn Herr Schmucker verhaltenstherapeutisch geprägt ist, würde ich das Verfahren schulenübergreifend empfehlen. Was nicht zuletzt dadurch kommt, dass der Autor mit vielen psychoanalytischen Kolleg:innen zusammengearbeitet hat und er darin keine Widersprüche sieht. 

Ich kannte das Buch schon, bevor ich die Fortbildung bei Herrn Schmucker besucht habe. Ich muss sagen, dass sich eine Teilnahme – und auch nur wenn man die Grundzüge verstehen möchte – sehr lohnt. Was daran liegt, dass Herr Schmucker viele kleine Kniffe bereit stellt, die so im Buch nicht stehen, sondern “zwischen den Zeilen stattfinden”. Ich finde aber, dass man nach dem Lesen des Buches schon eine Basisidee von der Methode bekommt und man mit Erfahrung und Supervision dies wahrscheinlich auch ohne Fortbildung ausprobieren könnte. Vor allem, wenn man auch mit anderen Verfahren vertraut ist wie z.B. Schematherapie, Katathym-imaginative Psychotherapie etc.

Daten und Weiterleitungen zum Buch

  • Autor: Mervyn Schmucker & Rolf Köster
  • Titel: Praxisbuch IRRT
  • Herausgeber: Klett-Cotta; 5. Druckaufl. 2021 Edition (30. September 2017)
  • Sprache: Deutsch
  • Taschenbuch: 459 Seiten
  • ISBN-10: 3608892168
  • ISBN-13: 978-3608892161

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